Sonntag, 12. September 2021

Dank an Ruth für das Foto in Tharandt

Die vergangenen zwölf Monate brachten eine Menge Veränderungen. Ende meines regulären Jobs in Laatzen, Beginn der Rente, Rückkehr nach Ostwestfalen und damit in eine neue Wohnung. Und noch dazu kam am 12. September 2020 ein Hund in mein Leben. Jede Veränderung für sich war schon gravierend genug. In die größte Veränderung schlitterte ich aber eher ahnungslos. Die Geschichte von Duna und mir. Dabei gäbe es noch viel mehr zu erzählen. Von damals, und von heute.

Ein Jahr, viele Geschichten, viel Veränderung

Juna

Juna

Es war ein sonniger, sehr warmer Samstag, der 12. September 2020, als ich morgens nach Hamburg fuhr. Eigentliches Ziel war das Franziskus-Tierheim an der Lokstedter Grenzstraße, doch bis zur Ankunft des noch unbekannten Hundes aus Katalonien war viel Zeit übrig. Die Stunden vor Dunas erstem Auftritt verbrachte ich im Tierpark Hagenbeck gegenüber dem Tierheim, konnte die Zeit jedoch wenig nutzen. Ich war aufgeregt und angespannt. Was für ein Hund würde das wohl sein? Der Wunsch nach einem eigenen Hund war einem emotionalen Tiefpunkt entsprungen, als ihre Besitzerin nicht mehr wollte, dass ihre Juna am Wochenende bei mir war und wir zusammen unsere ausgedehnten Touren in der Südheide unternahmen. Weil Frauchen eine Knieoperation hinter sich hatte. Es war die Zeit, in der ich einsah, dass ich mich eher an Tiere binde als an Menschen. Zuerst waren das nur Katzen, mit Juna dann zum ersten Mal ein Hund. Ohne Juna dann eben ein eigener Hund, so war mein Gedanke. Zuerst sollte es die kleine Penny werden, die jedoch bei mir wegen ihres Beckenschadens nicht gut aufgehoben wäre. Eben kein Hund zum Wandern. Was für einen Hund stellte ich mir denn so vor?  Möglichst ähnlich wie Juna war mein erster Hund gedacht, unkompliziert, folgsam, klug und einfach zu handhaben.

Frühstück, weiter schlafen

Frühstück, weiter schlafen

Ich war zwiespältig, sollte ich nun oder besser nicht? Meinte, die Konsequenzen zu kennen. Und doch schaute ich herum. Duna entdeckte ich mehr zufällig in einem Portal von Tierschützern, die Hunde aus Spanien nach Deutschland vermittelten. Dann nahm das Schicksal seinen Lauf, machte eine eigene Geschichte daraus. So stand im Auto schon lange vor dem Termin in Hamburg die Hundebox, ein rotes Geschirr Größe S und eine rote Leine waren dabei. Auch eine zweite rote Leine aus Broadway, ein knallrotes Schiffsseil aus meinem letzten Urlaub im August 2020 in den Cotswolds. So waren meine Gedanken und Erwartungen. Es sollte anders kommen. Ganz anders. Nichts davon, wie ich mir das gedacht hatte. Bis heute.

Und es kam anders

Hund mit skeptischem Blick

Hund mit skeptischem Blick

Was man mir am frühen Abend, mit fast zwei Stunden Verspätung, im Tierheim aus einem Sprinter heraus in die Arme drückte, war ein durchgeknalltes, nicht zu bändigendes Tier, zu groß, um in das mitgebrachte Geschirr zu passen, zu wild, als dass man ihm das neue Halsband anlegen konnte. Deshalb liegt hier immer noch ihr Halsband aus Katalonien im Körbchen mit den Leinen und Halsbändern. Auf einer kurzen Runde im Tierheim, um sich „zu lösen“, fräste es sich durch den Hamburger Sand und zog mich wehrlos hinter sich her. Nur „lösen“ wollte es sich nicht, das Tier.

Hunde-Yoga

Hunde-Yoga

Das geschah erst nach dem ersten Futter in Nienhagen, schon spät am Abend nach der Rückkehr, auf meinem teuren Wollteppich im Wohnzimmer. Leider hatte Duna nämlich wässerigen Durchfall. Seitdem ruht dieser schöne Teppich auf der Alten Schanze. Eine letzte Runde durch Nienhagen vor dem Schlafengehen war eine Katastrophe. Sie rannte wie eine Irre in alle Richtungen, nur nicht vorwärts. Nach der ersten Nacht fand sich ein großer dunkler Fleck auf dem nächsten Teppich im Wohnzimmer. Am folgenden Tag dann die Fortsetzung. Erste Runden mit Duna in Nienhagen und Wienhausen waren niederschmetternd. Duna war offenbar noch nie zuvor an einer Leine gegangen, sie versuchte ständig los zu sprinten, in jede unerwartete Ecke, in Sekundenbruchteilen wechselnd. Mein rechtes Armgelenk ist bis heute geschädigt. Ihre Geschäfte landeten im Wohn- und Arbeitszimmer. Das war kein Hund, das war ein unzähmbares Monster. Ein schlappohriges Fellmonster. Dabei wollte ich doch nur einen „normalen“ Hund.

Wir erkunden den Nienhäger Wald

Wir erkunden den Nienhäger Wald

Beim Ansehen des Videos aus Spanien wurde mir im Nachhinein einiges klar. Hinterher weiß man das dann. Ein Hund aus dem Tierschutz ist kein lustiger Welpe, der sich nach und nach an die Familie anpasst. Den man passend erzieht und der keine Vorgeschichte hat. Für mich war es erst einmal eine Katastrophe, ich dachte schon daran, sie zurück zu geben. Eines gab mit jedoch zu denken. Am dritten Abend war ich nervlich am Ende, so dass ich etwas reichlich dem Wein zugetan war. Als ich ins Bett ging, war mir kotzübel, alles drehte sich um mich herum. Duna sprang in mein Bett, legte sich ganz eng neben mich und leckte mich ab. Sie hatte gespürt, dass es mir schlecht ging. In diesem Moment, so elend mir war, kam ein Moment mit Hoffnung auf. Noch heute beobachtet mich Duna genau, wenn es mir nicht so gut geht. Sie nahm mich schon damals wahr. In dem Monster versteckte sich ein anderer Hund. Ich musste ihn nur hervor holen. Einfacher gesagt als getan. Ich hatte keine Erfahrung mit Hunden, schon gar nicht mit so schwierigen.

Schlaf mit Schaf

Schlaf mit Schaf

Am nächsten Tag Telefonat mit Sabine von den Tierschutzengeln, die mir Duna vermittelt hatten. Sie erklärte mir, dass Straßenhunde und fast alle Hunde aus dem Tierschutz kein Drinnen und Draußen kennen, für sie ist alles gleich. Duna war nicht an Menschen gebunden, war nie ein Teil einer menschlichen Familie, hatte noch nie in einer Wohnung gelebt. Ihre Wahrnehmung der Umgebung war eher rudimentär. Duna kannte keine Pfützchen-Runden, sie hatte ja auf der Straße gelebt.

Neues Auto-Körbchen, sehr gemütlich

Neues Auto-Körbchen, sehr gemütlich

Sabine empfahl mir, am Anfang alle zwei Stunden mit Duna raus zu gehen und die Schlafzimmertür zu schließen, mit Duna in einem Körbchen im Schlafzimmer. Ihren Schlafplatz halten Hunde nämlich sauber. Im Nachhinein muss ich feststellen, dass der Teppich im Schlafzimmer immer trocken geblieben ist. Und noch heute machen wir normalerweise fünf Runden am Tag, am Nachmittag eine längere bis zu 8 oder 12 Kilometer durch Wald und Feld. So langsam fügte sich die Sache. Duna gewöhnte sich allmählich an Häufchen- und Pfützchenrunden. Nur einmal noch hat es ein Pfützchen auf dem Teppich gegeben, nach unserem Umzug in die neue Wohnung hier in Wewelsburg. Aber zum Glück auf dem Plastikteppich, den man einfach mit Hygienespray wieder sauber bekommt.

Nicht lange danach
Runde Rugby gefällig?

Runde Rugby gefällig?

Duna gewöhnte sich erstaunlich schnell an die Leine, schon ein oder zwei Monate nach ihrer Ankunft ging es mit Leine ganz gut. Eine Qual war ihr ständiger Durchfall bis zum Wässerigen. Die Tierärztin konnte nichts an Infektionen oder Gliadien finden, sie vermutete eine Überempfindlichkeit des Darms und empfahl für das Futter die Ausschlussmethode, verschiedene Futtersorten auszuprobieren. Dazu gab sie mir Dia Tabs, zur Linderung des Durchfalls und zur Beruhigung des Darms, davon habe ich seitdem immer eine 50er-Packung im Schrank. In der Website der Futtermarke Rinti fand ich bei der Suche nach den Ursachen des Durchfalls den Hinweis, dass viele Hunde Rinderprodukte nicht vertragen. Also nur noch Futter mit reinem Hühner- oder Putenfleisch, nicht „mit Huhn“ oder „mit Pute“.

Kochen fürs Hundi

Kochen fürs Hundi

Der Durchfall wurde besser, verschwand aber nicht ganz. Nach vielen Versuchen weiß ich heute: Huhn, Pute und Lamm sind ok, keine Phosphate, keine hydrolysierten Proteine, auch nicht aus Pflanzen oder Gemüse, kein Lebermehl oder sonstiger Müll. Daher auch kein Trockenfutter, für das Mittagessen als Zwischenmahlzeit koche ich Hühnchen mit Reis, Karotten, Pastinaken oder Kohlrabi, denn zwei kleine Dosen Futter pro Tag reichen für Duna bei unserem Laufpensum nicht. Dazu kurartig Moro-Suppe am Morgen und Mittag. Der Teppich blieb nun endlich sauber. Auch ihr Fell veränderte sich, es wurde weicher und glänzender. Daher heute festes Programm an Futter und Fruitees oder Sticks, kein Trockenfutter, keine Experimente. Für die Zähne gibt es ein Kauholz aus Kaffeebaum aus dem Futterhaus, mit dem sie sich im Auto gerne beschäftigt.

Und heute
Nach dem unfreiwilligen Bad in der Aller

Nach dem unfreiwilligen Bad in der Aller

Erst Anfang 2021 fing Duna an, mich bewusst anzusehen, zu fragen, wenn sie auf die andere Straßenseite möchte oder einen anderen Weg gehen. Wenn wir an der Bäckerei vorbei kommen, setzt sie sich hin und schaut mich an. weil sie immer ein Leckerli bekommt, wenn ich Brötchen hole. Hat sie tatsächlich einmal nachts Durchfall, was immer noch einzelne Male passiert, wenn auch sehr selten, weckt sie mich. Indem sie in mein Bett springt und sofort wieder heraus. Das heißt dann „Alder! Raus aus der Koje. Ich muss mal. Pronto, Seniore.“ Auch sonst hat sie ihr Leben nun gut organisiert. Sie hat einen Korb mit Spielzeug, den sie bei Langeweile ausräumt und die Stofftiere in der Wohnung verteilt. Sie weiß, wann es Zeit fürs Abendessen ist und meldet sich. Sitze ich am Schreibtisch, springt sie hoch und legt ihre Vorderpfoten auf meinen Arm. Sie versteht „Tütchen wegbringen“, „Mittagessen“, „Abendessen“, „Rüber“ für die andere Straßenseite und eine Menge mehr.

Erst jetzt, nach einem Jahr, ist Duna halbwegs ein Hund wie Juna, auch wenn das mit dem Freilauf noch zu unsicher ist. Als Griffon-Mix hat sie einen ausgeprägten Jagdtrieb. Aber Juna war als Welpe von der überfahrenen Mutter weg ins Haus gekommen, nicht als Straßenhund. So gesehen war diese harte Tour nicht zu vermeiden, aber ich musste mir Infos über Leinenführung, Durchfälle und Hundekommunikation selbst zusammen suchen. Da kam nichts an Warnungen oder Hinweisen von der vermittelnden Organisation. Wir waren inzwischen einige Male bei einer Hundetrainerin, aber wir kommen nicht zum Üben des Gelernten. Der Freilauf kommt trotzdem in Sicht, weil sich Duna immer stärker an mir orientiert.

Action in der HuTa

Action in der HuTa

Sie ist und bleibt jedoch ein Dickkopf. Das spielt sie aus, indem sie beim Rausgehen einfach auf der Treppe liegen bleibt, oder in der Wohnung sitzen, erst nach einem Fruitee kommt sie dann mit. Übrigens bisher eines der wenigen Leckerlis, das sie problemlos verträgt, und auch nur das Fasan&Feige (Dank an Ruth). Gehe ich Brötchen holen oder gehen wir zum Elli-Markt, setzt sie sich hin und wartet geduldig. Denn sind eine paar Fruitees Pflichtprogramm. Duna ist der große Liebling der Kinder hier im Dorf, weil sie so freundlich ist und alle Kinder freudig begrüßt. Gehen wir am Morgen durchs Dorf, hört man eine Menge Kinder nach Duna rufen. Weinende Kinder erträgt Duna gar nicht. Selbst Erwachsene sind erstaunt, wie Duna Leuten so offen und aufmerksam begegnet, sie bleibt stehen und schaut die Leute direkt an.

Duna ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Hund, wenn auch in jede Richtung. Sie kläfft nicht, ist immer freundlich und zugewandt. Sie hat noch nie nach jemandem geschnappt oder jemanden angeknurrt. Sie nimmt das Leckerli so sanft und vorsichtig aus den Fingern, dass auch ganz kleine Kinder ihr etwas geben können. Dazu ist Duna erstaunlich clever. Am Morgen, wenn mein Radiowecker sich einschaltet, wechselt Duna aus ihrem Sessel in mein Bett. Legt sich lang neben mich, Pfote auf Hand, am liebsten quer über dem Oberbett. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht? Offen gestanden, ich nicht.

Duna und Rainer

Das Abschieds-Shirt meiner Kollegen

Das Abschieds-Shirt meiner Kollegen

Ich muss zugeben, dass die Sache mit Duna eher emotional bedingt war als ein rationaler Entschluss. Viele Dinge gehen nun nicht mehr. Mal eben wie früher für eine Woche nach England fahren, spontan in eine Großstadt zum Shoppen oder nach Berlin ins Museum aufbrechen, in einem beliebigen Hotel übernachten, eine normale Ferienwohnung mieten, lange ausschlafen, das ist alles Vergangenheit. So gesehen schränkt mich Duna deutlich ein. Auch irgendein Minijob in einem Büro oder in einem Laden entfällt wegen Hundi. Bei Regen, Kälte und Schnee zur letzten Pfützchenrunde, regelmäßig nach Paderborn zum Futterhaus, zügiges Einkaufen statt Stöbern in einem größeren Geschäft, alles jetzt unumgänglich.

Duna ist in meinem Haushaltsbuch der größte Posten, auch und gerade wegen der Tierarztkosten für ihre Leishmaniose. Das neue Medikament Leisguard ist zwar ziemlich teuer, der Titer sieht dafür deutlich besser aus als vor einem halben Jahr. Damit hat Duna die Chance, so alt zu werden wie ohne die Krankheit. Einen Kofferraum hat mein Auto nicht mehr, alles muss auf den Rücksitz passen. Jeden Abend kurz durchsaugen ist Standardprogramm. Wegen der vielen Hundehaare, die nach meinem eigenhändigen Styling nun endlich weniger werden. Andererseits …

Wenn Duna in der Hundetagesstätte war, war die Wohnung still und leer. Dann fehlt sie mir, ihr Getapse, ihr Rugby-Training mit dem schweren Ball auf dem Parkett, ihre Erinnerung an das Abendessen, das in der Küche verteilte Schlabberwasser, ihre melancholischen Blicke. Sie bleibt meistens in meiner Nähe, geht mit ins Badezimmer, wenn ich dusche, und gerne in den Keller Spinnen aufstöbern. Wir sind nun ein Duo, das nicht mehr getrennt zu haben ist. Das war nun das erste Jahr. Es hat sich eine Menge verändert, vielleicht auch irgendwann ihre Müllfresserei auf der Straße. Denke ich so.

Die Lakelands sind gebucht, in einem hundefreundlichen Cottage. Bald Rückkehr in die Heimat meines Herzens. Jetzt mit Hund.

 

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